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Der erste Käsritt - am 13. August 1950

„Alter Volksbrauch in schönem neuem Gewand. Käse hat ein Gerüchle, und ein Fest, das sich Käsritt nennt, kommt leicht in den Geruch ein „Käsfest" zu sein. Das Fest, mit dem die Großgartacher einen seit 115 Jahren eingeschlafenen Volksbrauch wieder zu neuem Leben erweckten, war alles andere: Es war ein echtes Volksfest, das den alten Brauch sinnvoll in die Mitte des Tages rückte, und dem kultischen Ursprung des Brauches dadurch gerecht wurde, daß die Pferde u. ihre Vorführungen dem Tag das Gepräge gaben." So schrieb die Heilbronner Stimme in ihrem Bericht zum ersten Volksfest nach dem Krieg in Großgartach.

Um 12.30 Uhr holten die Reiter die Festdamen mit ihren spitzen Hüten vom Rathaus ab und führten sie zur Spitze des Festzuges, der von der Heilbronner Straße über das Hoppengrabengebiet zurück zur Heilbronner Straße führte und über die Eppinger Straße zum Festplatz südlich des heutigen Wasen-Gewerbegebiets. Den Festzug eröffnete der Herold. An seiner Lanzenspitze waren die Bänder befestigt, die die edlen Festdamen hielten. Es folgten die Kapelle des Musikvereins Lauffen, der Sportverein, der Gesangverein und ein Allgäuer Käsewagen zur Erinnerung an die letzten Memminger Pater auf dem Hipfelhof. Weitere Wagen galten dem Heuchelberg und seinen Weinen, dem Wunsch nach einem Freibad, einer Egerländer Spinnstube, dem Rübezahl mit seinen Zwergen, Max und Moritz, dem Struwelpeter, dem Dornröschen und dem Großgartacher Gewerbe. Dazwischen sah man eine Winzergruppe und Reiter sowie aus der Ortsgeschichte das Burgfräulein von der Harchenburg. Den Festzug hatte Richard Herda-Vogel gestaltet.

Auf dem Festplatz begrüßte Bürgermeister Sauter die Besucher und übergab einen großen Strauß Gladiolen dem Herold der Käsreiter Gerhard Nagel, der ihn später Frau Rügamer „überreichte, der Gattin des Hipfelhofverwalters. Dann stoben die 18 Reiter davon, und als man sie einige Zeit darauf auf der Höhe noch einmal auftauchen sah, sang der Liederkranz Frohsinn mit seinem Dirigenten Karl Schurr auf dem Festplatz.

Noch während die Schuljugend Reigen und Spiele vorführte, tauchten die Reiter an der Wimpfener Hohle wieder auf, und in der Nähe des Festplatzes stellten sie sich zum Endspurt für die letzten 150 m auf. Als erster erreichte den Festplatz Eberhard Boger auf dem Fuchswallach Hans, und wurde damit Käsrittsieger 1950. Zweiter wurde Walter Boger auf Rex, dritter Hermann Runke auf Fritz. Mit herzlichen Wünschen hängte Bürgermeister Sauter dem neuen Käsreiter die silberne, von Herda-Vogel geschaffene, Wanderplakette um. Drei donnernde "Hoch" ertönten. Während der Sieger seine Ehren runde ritt, erhielten die Ehrengäste je ein Stück von dem großen Käse, der dann von den Reitern und den Festdamen vollends verzehrt wurde.

Da das Wetter günstig war, entwickelte sich noch ein fröhliches Leben und Treiben bei Karussell, Wein, Bier und Knackwürsten. Volkstänze der Winzergruppe, Reigen, Reifenübungen und Barrenturnen des Sportvereins waren Bestandteil des Nachmittagsprogrammes. 3000 Zuschauer verfolgten insbesondere die Reiterprüfungen, das Gymnastikreiten und das abschließende Jagdspringen (Preisrichter: Karl Adelhelm, Wilhelm Reiner, Wilhelm Nagel).

Bei den Reiterprüfungen wurden 1. ein Lauffener 2. Eberhard Boger, 3. Walter Flinspach. Die Sieger beim Jagdspringen: 1. Walter Reuther mit Bubi, 2. Walter Boger, 3. Eberhard Boger. Bei Musik und Gesang war auf dem Festplatz ein lebhaftes Treiben und nach immer wieder dementierten und nie verstummenden Gerüchten sollen am Schluß einige Mitglieder des Festkomitees nicht mehr ganz nüchtern gewesen sein.

Ein Mitarbeiter hatte gar Anlaß, hinterher schriftlich zu versichern, daß er nicht bei jenen gewesen sei, die sich "den Bauch vollgesoffen haben". Der folgende Montag als Kinder fest brachte eine Wiederholung des Festzuges vom Vortag, ergänzt durch einige Kindergruppen. Auf dem Festplatz gab es bei fröhlichen Spielen und sportl. Wettkämpfen, Würste und Wecken für gute Leistungen, gestiftet von örtlichen Geschäftsleuten. Bürgermeister Sauter entbot Eltern und Kindern herzliche Grüße. Seine Dankesworte galten den Lehrern, die sich trotz Ferien in den Dienst der guten Sache gestellt hatten (ein Vorbild für heute, möchte der Chronist von heute anmerken).

Die Käsreiterplakette war ein Werk des Künstlers Herda-Vogel, der auch bis zu seinem Tode 1964 die Plakate gestaltete. Der Käsritt 1950 ergab einen Überschuß von rund 800 DM, der vorwiegend zur Finanzierung eines von Richard Herda-Vogel geschaffenen neuen Ortsprospektes verwendet wurde. Einige Einkaufspreise können zum Schluß Erinnerungen an die gute alte Zeit wecken:   
      1 L  Bier 77 Pfennig
      1 L 1948er Trollinger 2,70 DM
      1 L  1948er Riesling 2,10 DM
      1 Kipf 4 Pfennig
      1 Knackwurst 25 Pfennig
      1 Pfund Schinkenwurst 2 DM

Kassier des ersten Käsritts war Richard Werner.

Für den eiligen Leser: Käsrittssieger Eberhard Boger, Festzug: Großgartach und Märchen.

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